30.7.2017 – Auszeit vom Segeln

Über ein Jahr sind wir nun unterwegs, 8100sm sind wir in etwa in dieser Zeit gesegelt, 16 Länder haben wir bereist, unzählige Strände gesehen, in 83 unterschiedlichsten Buchten geankert und das Boot in 27 Häfen vertäut. Mal einsam, mal in Gesellschaft von vielen anderen Seglern unterschiedlichster Nationen. Wir haben interessante und sehr intensive Bekanntschaften geschlossen, die sicherlich auch nach unserer Segelreise noch wichtig für uns sein werden, da man unvergessliche Erlebnisse miteinander geteilt hat. 

Neben dem schönen Unvergesslichen, gab es ebenfalls Momente, die ich lieber vergessen würde, die aber genauso zu dieser Reise und wohl zum Segeln dazugehören: Wir haben Wind und Welle getrotzt. Nachts im Dunkeln stundenlang vor Anker unter Motor das Schiff vom Riff ferngehalten, während ein Squall nach dem anderen durchzog und uns Regen durchs Gesicht peitschte. Wir hatten Motorversagen mitten beim Ankern, der Anker slippte, und nur durch die Hilfe anderer Segler wurden wir nicht auf ein Riff  getrieben. Eine Nacht und einen Tag vor Anker haben wir den Sturm Bret abgewettert, der Hurrikanpotenzial hatte. Andere Boote neben uns slippten und suchten mitten im Sturm immer wieder neu nach einem besseren Ankerplatz. Das Gefühl völliger Behördenwillkür ausgeliefert zu sein, möchte ich ebenfalls nicht noch einmal erleben müssen. Auch diese Erlebnisse gehören zum Segeln und Reisen dazu. Trotzdem sind wir (immer noch) unterwegs, auf dem Weg zu weiteren unbekannten Ländern, unzähligen Buchten und auf der Suche nach netten Begegnungen, die diese Reise so bereichern. 

Nach über einem Jahr auf dem Boot, freuen wir uns nun auf eine kleine Auszeit vom Segeln und auf einen fünfwöchigen Heimaturlaub in Deutschland. Es gibt Dinge, neben unserer Familie und Freunde, die wir seit einem Jahr vermissen: 

  • Nicht im Vorhinein überlegen zu müssen, was ich wann in der nächsten Woche (oder vier Wochen) essen möchte, sondern einfach jederzeit in den Supermarkt gehen zu können und mir das zu kaufen, worauf ich gerade Lust habe 
  • Eine Butter aus dem Kühlschrank nehmen, ohne gleich den ganzen Kühlschrank ausräumen zu müssen und sie dann doch nicht zu finden
  • Ein Licht im Kühlschrank
  • Erdbeeren
  • Einfach mal die Tür schließen zu können, oder aus dem Raum zu gehen ist ein Traum! 
  • Mehr als zwei Flammen zum Kochen benutzen
  • Kein Geschirr mit Salzwasser vorspülen, sondern einfach in den Geschirrspüler räumen, Klappe zu und vergessen bis es von alleine sauber und trocken ist
  • Wasser ohne Bedenken aus dem Wasserhahn trinken können, ohne es vorher selbst mit dem Wassermacher herstellen zu müssen
  • Ich freue mich darauf, wieder einmal Salz aus einem Salzstreuer zu schütteln, das nicht durch die ewige feuchte Luft im Schiff verkrustet und verklebt nicht durch die kleinen Löcher im Streuen passen möchte 
  • Babysitter bzw. Großeltern zum Kinder aufpassen einspannen können 😉
  • Ich sehne mich nach einer Dusche, die einfach endlos Wasser über meinen Kopf sprudeln lässt und ohne, dass ich den Duschkopf selber über meinen Kopf festhalten muss und Ben bereits nach dem ersten Abduschen über die Wassermassen meckert, die ich wieder einmal verbraucht habe
  • Wäsche, die nicht ständig salzig ist oder sogar noch Stockflecken aufweist und per Hand im Salzwasser gewaschen werden muss, sondern die man schnell einmal in die Waschmaschine stecken kann. Und dann sogar nebenbei auch noch andere Dinge erledigen kann und nicht den ganzen Tag im Waschraum darauf warten muss
  • Kein morgendliches Antreten zur Sonnencreme- oder abendliches Antreten zur Mückencremeparade mehr
  • Eine Toilette, bei der man die Tür schließen kann, ohne sich vor Hitze wie in einer Sauna zu fühlen
  • Nicht erst ins Dinghi steigen und nass am Land ankommen, sondern einfach aus der Haustür gehen und schon ist man draußen, kann sich bewegen
  • Keine unruhigen Nächte mehr, bei denen vor Hitze die salzigen Bettlaken an einem Reiben während man schlaflos sich hin und her wirft, der Ankeralarm aufgrund von Winddrehern ständig einen aus dem tiefsten Schlaf reißt oder der Windgenerator nervt
  • Nicht bei jedem Regen in der Nacht aufzuspringen, durchs Boot rennen und alle Luken schließen müssen, um kurz danach wieder alles zu öffnen, da man sonst vor Hitze nicht schlafen kann
  • Internet. Auf einem Sofa. So schnell, dass man nicht beim Öffnen einer Seite einen ganzen Kaffee leert
  • Wenn man neuen Kaffee braucht, einfach den Schrank zu öffnen und nicht: Kinderbettgitter weg, 3 Matratzen hoch, Bettlaken und Pinkelbezug vorher runter, Brett beiseite, Luke zur Kiste auf und sich zwischen Matratze und Sitzbank mit Stirnlampe durchquetschen, Javik verscheuchen, während er den Kissenberg unter dem ich liege erklimmt, um festzustellen, dass der Kaffee in der Luke links daneben sein muss. Dann wieder alles zu machen und von vorne…

Und trotzdem weiß ich, es wird nicht einmal fünf Wochen dauern, da freue ich mich wieder auf unser kleines Schiffchen, das irgendwo in der Karibik in einer kleinen Marina in Curacao auf uns wartet. Unsere Insel, auf der wir bestimmen wann und wohin wir segeln. Ich freue mich wieder darauf, unter einem grandiosen Sternenhimmel in einer wunderbaren Wärme nackt auf dem Heck zu duschen, jederzeit ins kristallklare Wasser zu springen, abends noch mal schnell die Kinder ins Dinghi zu packen und an den Strand um die Ecke zu fahren, mit Javik endlos jeden Tag schwimmen zu üben, da wir einfach Zeit dazu haben, reichlich Fisch zu fangen und jeden Abend ein Barbecue am Strand mit Feuer veranstalten zu können, wochenlang nicht einkaufen müssen, sich keine Gedanken um „was zieh ich an“ zu machen, da  – wenn überhaupt – die Badehose den Tag über anbleibt, keine Schuhe tragen müssen, jederzeit Schnorcheln gehen in einer faszinierenden Unterwasserwelt, das Glücksgefühl nach einer mehrtägigen Seeetappe wieder Land zu sehen und wieder Ruhe im Schiff zu spüren, neue aufregende und interessante Menschen kennen zu lernen, jederzeit einfach draußen sein zu können, den Wind, die Sonne und das Meer zu spüren. Abenteuer erleben. Das sind die Dinge, warum wir hier sind und warum wir uns auch freuen, wieder zurückzukommen.